Insolvenzfall: Neugläubiger gewinnt Berufung gegenüber arglistigem PKW-Verkäufer
In einem aktuellen Gerichtsverfahren hat der Kläger als Neugläubiger erfolgreich Berufung eingelegt. Er hatte einen PKW gekauft, bei dem ein Mangel am Getriebe verschwiegen wurde. Der Beklagte, der Verkäufer des Fahrzeugs, befand sich zu diesem Zeitpunkt in einer sogenannten Treuhandperiode nach Abschluss eines Insolvenzverfahrens.
Das Gericht stellte fest, dass der Mangel an dem Fahrzeug arglistig verschwiegen wurde. Der Zeuge, der den Beklagten beim Verkauf vertrat, hatte Kenntnis von dem Getriebeschaden, offenbarte diesen aber nicht. Die Vernehmungen anderer Zeugen bestätigten diese Tatsache. Eine Vernehmung des Hauptzeugen war jedoch nicht möglich, da der Zeugenvorschuss nicht eingezahlt wurde.
Durch das Verschweigen des Mangels wurde die Vertrauensgrundlage für die Mangelbeseitigung zerstört. Der Kläger war daher berechtigt, vom Kaufvertrag zurückzutreten. Der Beklagte muss nun den Kaufpreis Zug-um-Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs zurückzahlen. Eine Verpflichtung des Klägers zum Nutzungsersatz besteht nicht.
Ein Feststellungsantrag, dass der Anspruch aus einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung des Beklagten beruht, wurde für zulässig, aber unbegründet erklärt. Es konnte nicht festgestellt werden, dass der Beklagte vorsätzlich bei einem möglichen Betrug gehandelt hat.
Oberlandesgericht Schleswig-Holstein – Az.: 12 U 54/21 – Urteil vom 11.05.2022
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Itzehoe vom 12.05.2021, Az. 7 O 65/19, abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 9.500,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit 14.12.2018 zu Zahlen, Zug-um-Zug gegen Rückgabe des PKW Audi A4 Avant, Fahrzeugidentnr.: ….Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 9.500,00 € festgesetzt.
Gründe
(abgekürzt nach § 313a Abs. 1 ZPO)
Die Berufung des Klägers hat Erfolg.
Sie ist nicht bereits unzulässig, weil es sich um eine Insolvenzforderung handeln würde. Der Kläger ist insofern Neugläubiger, weil seine Forderung gegen den Beklagten erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden ist, welche am 14.12.2017 erfolgte. Der Beklagte konnte insofern auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens vermögensrechtliche Verpflichtungen eingehen; jedoch ist dem Neugläubiger eine Vollstreckung nur in das insolvenzfreie Vermögen möglich. (Vgl. Nerlich/Kreplin, Münchner Anwaltshandbuch Insolvenz und Sanierung, 3. Auflage, § 30, Rn. 90 f.) Der Beklagte befindet sich zwar nach Abschluss eines über sein Vermögen eröffneten Insolvenzverfahrens, welches am 10.12.2019 aufgehoben wurde, nunmehr in der Treuhandperiode. Die insofern erhobene Leistungsklage ist jedoch zulässig (vgl. OLG Celle, Urteil vom 7.1.2003, Az. 16 U 156/02, NZI 2003, 201)
Die Klage ist hinsichtlich des Zahlungsantrags auch begründet.
Dem Kläger steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Zahlung von 9.500,00 € Zug um Zug gegen Übereignung des streitgegenständlichen PKW aus §§ 346 Abs. 1, 437 Nr. 2, 440, 323, 433, 434 BGB zu.
Der Beklagte ist wirksam von dem mit dem Beklagten durch dessen Vertreter geschlossenen Kaufvertrag (Bl. 5 d. A.) zurückgetreten. Das Landgericht hat insofern einen Mangel an dem streitgegenständlichen PKW festgestellt; der im Hinblick auf die Kupplung bzw. das Getriebe des PKWs bestand, weil hier nach der durchgeführten Beweisaufnahme ein übermäßiger Verschleiß festgestellt wurde. Insofern wird auf die Ausführungen im landgerichtlichen Urteil (S. 6 f.) Bezug genommen.
Mängelrechte waren auch nicht wegen eines mit dem Beklagten vereinbarten Gewährleistungsausschlusses ausgeschlossen, weil der Mangel arglistig verschwiegen wurde und sich der Verkäufer hierauf deshalb nicht berufen kann, § 444 BGB. Zu Recht hat das Landgericht insofern eine Aufklärungspflicht hinsichtlich des streitgegenständlichen Mangels bejaht. (Urteil S. 8)
Die vor dem Berufungsgericht durchgeführte Beweisaufnahme hat insofern auch ergeben, dass der den Beklagten beim Kaufvertragsschluss vertretende Zeuge X positive Kenntnis von dem Kupplungs- bzw. Getriebeschaden hatte. Selbst wenn der Zeuge diesen nicht selbst beim Fahren bemerkt hätte bzw. hätte bemerken können, wie das Landgericht ausführt (Urteil S. 9 f.), so ist das Gericht davon überzeugt, dass er im Zusammenhang mit der Rückgabe des PKW durch den Zeugen Y von dem Mangel Kenntnis erlangt und diesen dennoch nicht bei den Verkaufsverhandlungen mit dem Kläger offenbart hat.
Dies hat die Vernehmung des Zeugen Y ergeben. Dieser hat erklärt, dass er Herrn X nach dem Auftreten des Mangels (ruckartiges Einlegen der Gänge durch die Automatik) von den Problemen berichtet habe. Er habe Herrn X auch auf das ruckartige Schalten hingewiesen. Nach dem zwei Reparaturtermine nicht zur Behebung der Mängel geführt hätten, sei er vom Kaufvertrag zurückgetreten. Es sei mit dem Zeugen X ein Storno-Vertrag geschlossen worden. Die Aussage des Zeugen war glaubhaft und nachvollziehbar. Ohne Belastungstendenz berichtete er von den seinerzeitigen Vorgängen und konnte sich auch an Details noch gut erinnern.
Der Zeuge Z hat insofern bestätigt, dass der Mann, der dem Kläger das Fahrzeug verkaufte, insofern nichts Negatives über das Auto gesagt habe, vielmehr den Eindruck erweckt habe, es sei alles in Ordnung mit dem PKW. Weder habe er auf ein Ruckeln noch auf ein schadhaftes Getriebe hingewiesen. Diese Aussage war glaubhaft. Der Zeuge berichtete nachvollziehbar und in Übereinstimmung mit der Schilderung des Klägers von den damaligen Ereignissen. Dabei beschränkte er sich auf das von ihm Wahrgenommene. Er wusste z.B. nicht mehr, wie der Verkäufer hieß und gab dies auch offen zu. Jedoch steht fest, dass es sich dabei um den ebenfalls als Zeugen angebotenen Herrn X handelte.
Eine Vernehmung des Zeugen X, welche diese Umstände hätte widerlegen können, war nicht möglich, da der Zeugenvorschuss trotz entsprechender Fristsetzung am 09.08.2021 (Bl. 257 d. A.) und erneuter Anforderung am 29.11.2021 (Bl. 298 d. A.) nicht eingezahlt wurde und der Zeuge nach § 379 ZPO deshalb nicht geladen wurde und nicht vernommen werden konnte.
Das Verschweigen des Zeugen X erfolgte auch arglistig, da es insofern ausreicht, wenn wichtige Umstände, die den Vertragszweck vereiteln oder gefährden können, nicht offenbart werden, auch wenn hiernach nicht gefragt wird. (Vgl. Grüneberg-Ellenberger, BGB, 81. Auflage, § 123, Rn. 5b) Bei einem Mangel, welcher nach bekanntermaßen bereits zuvor durch Reparatur nicht hatte beseitigt werden können und bereits einmal zur Rückabwicklung eines Kaufs geführt hatte, ist dies zweifelsfrei zu bejahen. Es war dem Zeugen X aufgrund der vom Zeugen Y geschilderten Kommunikation auch bewusst, dass es sich um einen wesentlichen Umstand handelte, selbst wenn er nicht allein zur Rückgabe des Fahrzeugs geführt haben sollte. Eine arglistige Täuschung durch den Verkäufer X kann dem Beklagten auch zugerechnet werden, weil dieser „im Lager“ des Beklagten stand und maßgeblich am Zustandekommen des Vertrags mitgewirkt hat und damit im Sinne des § 123 Abs. 2 BGB nicht Dritter ist (vgl. Grüneberg,-Ellenberger, BGB, 81. Auflage, § 123, Rn. 13).
Eine Nacherfüllung war dem Kläger wegen der arglistigen Täuschung nicht zumutbar, § 440 S. 1 BGB, denn durch diese wird die Vertrauensgrundlage für die Mangelbeseitigung beschädigt. (Vgl. Grüneberg-Weidenkaff, BGB, 81. Auflage, § 440, Rn. 8) Damit war der Kläger zum Rücktritt vom Vertrag berechtigt, der auch am 28.11.2018 erklärt wurde und der Beklagte ist verpflichtet, den Kaufpreis Zug-um-Zug gegen Rückgabe der Kaufsache zurückzuzahlen.
Eine Verpflichtung des Klägers zum Nutzungsersatz besteht insofern nicht, da eine entsprechende Nutzung hier von der Beklagtenseite nicht vorgetragen wurde. Sie ergibt sich auch nicht aus dem Gutachten des Sachverständigen T vom 07.12.2020 in Form einer insofern berücksichtigungsfähigen Laufleistung des Fahrzeugs. Dies ist angesichts des Zustands des Fahrzeugs auch nachvollziehbar.
Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286, 288 Abs. 1 BGB.
Der Feststellungsantrag, dass der Anspruch aus einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung des Beklagten beruht, ist zwar zulässig, jedoch unbegründet.
Es besteht zwar ein Feststellungsinteresse des Neugläubigers im Hinblick auf den begehrten Ausspruch, da neue Forderungen aus einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung nach § 89 Abs. 2 S. 1 und S. 2 InsO in der Zwangsvollstreckung privilegiert sind.
Jedoch kann nicht festgestellt werden, dass die Forderung auf einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung des Beklagten beruht. Dass der Beklagte insofern vorsätzlich als Gehilfe oder Mittäter bei einem möglichen Betrug gegenüber dem Kläger gehandelt hat, kann hier nicht festgestellt werden. Ob und inwieweit der Beklagte von dem Verhalten des Zeugen X tatsächlich wusste und dies von ihm gebilligt wurde, ließ sich nicht feststellen. Auch ob er selbst Kenntnis vom Getriebeschaden hatte, ist offengeblieben. Insofern findet im Rahmen des kaufrechtlichen Anspruchs zwar eine Zurechnung der Täuschung durch den Vertreter statt. Daraus lässt sich jedoch nicht auf einen entsprechenden Vorsatz des Beklagten schließen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.