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Fahrzeugkaufvertrag – Rücktritt wegen überlanger Lagerdauer

Fahrzeugkauf und die Problematik überlanger Lagerdauer

Beim Kauf eines Fahrzeugs können verschiedene rechtliche Fragen und Probleme auftreten. Ein kürzlich ergangenes Urteil des Landgerichts Gießen (Az.: 3 O 71/19) vom 04.03.2020 befasste sich mit der Frage, ob ein Käufer vom Fahrzeugkaufvertrag zurücktreten kann, wenn das Fahrzeug eine überlange Lagerdauer aufweist.

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Was bedeutet „fabrikneu“?

Fahrzeugkaufvertrag - Rücktritt wegen überlanger Lagerdauer
Fahrzeugkauf und Rechtsfragen: Die Komplexität einer überlangen Lagerdauer und Emissionsregelungen. (Symbolfoto: Az.: 3 O 71/19 /Shutterstock.com)

Laut der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) gilt ein Kraftfahrzeug als fabrikneu, wenn es ungenutzt ist, solange das Modell unverändert weitergebaut wird und keine Mängel durch längere Standzeit aufweist. Interessanterweise sind Standschäden nicht erforderlich, um die Fabrikneuheit in Frage zu stellen. Es reicht aus, wenn zwischen der Herstellung des Fahrzeugs und dem Abschluss des Kaufvertrags mehr als 12 Monate liegen.

Die Bedeutung der Lagerdauer

Die Lagerdauer eines Fahrzeugs ist nach der Verkehrsanschauung für die Wertschätzung eines Kraftfahrzeugs von wesentlicher Bedeutung. Ein zu langes Lagern kann die Wahrnehmung und den Wert eines Fahrzeugs beeinflussen, selbst wenn keine physischen Schäden vorliegen.

Kontroverse um Emissionsregelungseinrichtungen

Ein weiterer strittiger Punkt in diesem Fall war die Frage nach der Emissionsregelung des Fahrzeugs. Es gab Diskussionen über das Vorhandensein eines sogenannten „Thermofensters“, einer „Aufwärmstrategie“ und einer „erhöhten“ AdBlue-Einspritzung. Das Gericht stellte fest, dass diese Emissionsregelungseinrichtungen im normalen Fahrbetrieb genauso arbeiten wie auf dem Prüfstand. Es wurde argumentiert, dass diese Einrichtungen zum Schutz des Motors und anderer Bauteile dienen könnten.

Fehlender Schädigungsvorsatz

Ein zentrales Element dieses Falles war der fehlende Schädigungsvorsatz. Das Gericht kam zu dem Schluss, dass es keine konkreten Anhaltspunkte für ein vorsätzliches Verhalten der Beklagten gab. Es wurde argumentiert, dass nicht jedes Streben nach Kostensenkung und Gewinnmaximierung per se als verwerflich angesehen werden kann. Es müsste bewiesen werden, dass die Beklagten wissentlich und willentlich gegen gesetzliche Vorschriften verstoßen haben.

Insgesamt zeigt dieses Urteil die Komplexität und die vielen Facetten, die bei rechtlichen Auseinandersetzungen im Zusammenhang mit dem Fahrzeugkauf berücksichtigt werden müssen. Es unterstreicht die Bedeutung einer sorgfältigen Prüfung und Beratung vor dem Kauf, um spätere rechtliche Probleme zu vermeiden.

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Das vorliegende Urteil

LG Gießen – Az.: 3 O 71/19 – Urteil vom 04.03.2020

1. Das Versäumnisurteil des Landgericht Gießen vom 05.06.2019 (Az. 3 O 71/19, Bl. 73 d.A.) wird in Höhe einer Zahlung der Beklagten zu 1 an die Klägerin von 45.254,79 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.01.2020 Zug-um-Zug gegen Übergabe und Übereignung des Kraftfahrzeugs … mit der Fahrzeugidentifikationsnummer … sowie der Feststellung, dass sich die Beklagte zu 1 mit der Rücknahme des Fahrzeugs mit der Fahrzeugidentifikationsnummer … seit dem 06.03.2019 in Verzug befindet, aufrechterhalten.

2. Im Übrigen wird das Versäumnisurteil des Landgericht Gießen vom 05.06.2019 (Az. 3 O 71/19, Bl. 73 d.A.) aufgehoben und die Klage abgewiesen.

3. Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Klägerin tragen die Beklagte zu 1 zu 42% und die Klägerin zu 58%, mit Ausnahme der Kosten, die durch die Säumnis der Beklagten im Termin vom 05.06.2019 entstanden sind, diese trägt die Beklagte zu 1. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1 tragen die Beklagte zu 1 zu 85% und die Klägerin zu 15%. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2 trägt die Klägerin.

4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil des Landgericht Gießen vom 05.06.2019 (Az. 3 O 71/19, Bl. 73 d.A.) darf nur gegen Leistung dieser Sicherheit fortgesetzt werden.

5. Der Streitwert wird auf bis zu 65.000,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin macht gegen die Beklagte Rückabwicklungsansprüche im Zusammenhang mit dem Erwerb des Fahrzeugs … mit der Fahrzeugidentifikationsnummer … (im Folgenden „das Fahrzeug“) im August 20.. geltend.

Das Fahrzeug wurde am 12.08.20.. von der Beklagten zu 2 hergestellt. 3 Monate vor der Erstauslieferung und Erstzulassung führte die Beklagte zu 2 bei dem Fahrzeug eine Anpassung der Motorsteuerungssoftware durch.

Das Fahrzeug wurde danach zuerst an das Autohaus … in … ausgeliefert. Die … erwarb das Fahrzeug von dem Autohaus … in … . Bei der … handelt es sich um einen auf Re-Importfahrzeuge spezialisierten Händler, der seinerseits nur Fahrzeuge von Händlern erwirbt und an Händler verkauft. Die Beklagte zu 1 erwarb das Fahrzeug von der … . Über den Erwerb von der … informierte die Beklagte zu 1 die Klägerin nicht.

Unter dem 11.08.20.. inserierte die Beklagte zu 1 das Fahrzeug auf der Internetplattform „…“ (Anl. K7). In der Anzeige gab die Beklagte zu 1 an, dass die Erstzulassung des Fahrzeugs im Monat Juni 20.. erfolgt sei. Zudem beschrieb die Beklagte zu 1 das Fahrzeug in dem Abschnitt „Fahrzeugbeschreibung“ als „Lagerfahrzeug/sofort verfügbar/EU-Neufahrzeug mit Tageszulassung“.

Unter dem 14.08.20.. unterzeichnete die Klägerin einen als „Kaufvertrag/Bestellung“ bezeichnetes Formular (Anl. K1). Darin ist unter anderem unter „Sondervereinbarung“ ausgeführt: „Es gelten die aktuellen und beigefügten AGB. […] Garantiebeginn ist der 12.06.20…“ Unter dem 15.08.20.. (Anl. K2) stellte die Beklagte zu 1 der Klägerin eine Rechnung über das Fahrzeug i.H.v. 51.000,00 € brutto aus.

Das Fahrzeug wurde als der Schadstoffklasse EU 6 zugehörig angeboten und an die Klägerin verkauft.

Die Übergabe des Fahrzeugs an die Klägerin erfolgte am 17.08.20.. . In dem Übergabeprotokoll vom 17.08.20.. (Anl. K3) ist auf Seite 2 unter der Überschrift „Gebrauchtwagengarantie/Anschlussgarantie“ der vorformulierte Satz angekreuzt „Der Kunde verzichtet auf eigenes Risiko auf die empfohlene Gebrauchtwagengarantie“.

Die Klägerin behauptet, die angegebenen Werte „schadstoffarm nach Euro 6“ würden nur im Testmodus eingehalten. In dem Motor des Fahrzeugs sei ein sog. „Thermofenster“ und eine „Aufwärmstrategie“ vorhanden. Die ausreichende Menge AdBlue würde nur auf dem Prüfstand verwendet. Die Beklagte zu 1 habe zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrags mit der Klägerin Kenntnis von dem Thermofenster gehabt. Das durchgeführte Software-Update habe zu einem erhöhten Kraftstoffverbrauch, einer geringeren Laufleistung, der Zunahme von Partikelemissionen und einem erhöhten AdBlue-Verbrauch geführt. Der Kraftstoffverbrauch des Fahrzeugs entspreche nicht den Angaben aus der „Übereignungsbescheinigung“ und der Onlineanzeige. Der tatsächliche Kraftstoffverbrauch liege bei 9,7 l bis 10 l pro 100 km. Das Fahrzeug weise einen merkantilen Minderwert von mindestens 10 % gegenüber Fahrzeugen auf, die nicht vom Abgasskandal betroffen seien oder in denen keine unzulässige Abschalteinrichtung verbaut sei.

Die Klägerin meint, für den Nutzungsersatz sei von einer Gesamtlaufleistung von 400.000 km auszugehen. Die Beklagte zu 1 habe sie über den Erwerb von der … als fliegender Zwischenhändlerin aufklären müssen. Es habe sich bei dem Fahrzeug zudem nicht mehr um ein Neufahrzeug gehandelt.

Die Klägerin hat zunächst Klage gegen die Beklagte zu 1 erhoben mit dem Antrag, den Kaufpreis Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs an die Klägerin zurückzuzahlen und den Annahmeverzug der Beklagten zu 1 festzustellen. Unter dem 05.06.2019 hat das Gericht insoweit ein Versäumnisurteil gegen die Beklagte zu 1 erlassen. Gegen das Versäumnisurteil hat die Beklagte zu 1 mit Schriftsatz vom 26.06.2019 (Bl. 77 d.A.) Einspruch eingelegt.

Mit Schriftsatz vom 21.10.2019 (Bl. 112 d.A.) und in der mündlichen Verhandlung vom 22.01.2020 hat die Klägerin ihre Klage u.a. gegen die Beklagte zu 2 erweitert.

Die Klägerin beantragt nunmehr,

1. Die Beklagte zu 1 wird verurteilt, an die Klägerin 50.107,50 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20.12.20.. zu zahlen Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Kraftfahrzeugs …, Fahrgestellnummer: …;

2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte seit dem 20.12.20.. mit der Annahme der im Klageantrag zu 1.) bezeichneten Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs in Verzug befindet;

3. Die Beklagte zu 2.) zu verurteilen, an die Klägerin 51.000,00 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 10.10.20.. abzüglich einer noch zu beziffernden Nutzungsentschädigung Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeugs …, Fahrgestellnummer: …, zu zahlen;

4. Die Beklagte zu 2.) zu verurteilen, das im Klageantrag bezeichnete Fahrzeug bei der Klägerin abzuholen und entgegenzunehmen;

5. Festzustellen, dass sich die Beklagte zu 2.) mit der Annahme der im Klageantrag zu 1.) bezeichneten Rücknahme seit dem 10.10.20.. in Verzug befindet;

6. Die Beklagte zu 1.) und die Beklagte zu 2.) zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag i.H.v. 1.954,46 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 10.10.20.. zu zahlen.

7. Hilfsweise zu Ziffer 6., die Klägerin von einem Betrag i.H.v. 1.954,64 € freizustellen.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe

I.

Das Versäumnisurteil vom 05.06.2019 war teilweise aufrechtzuerhalten. Der in der mündlichen Verhandlung vom 22.01.2020 gestellte Klageantrag der Klägerin war dahingehend auszulegen. Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung vom 22.01.2020 weiterhin die Verurteilung der Beklagten zu 1 gemäß Klageschrift vom 15.02.2019 beantragt.

1.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte zu 1 einen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises aus §§ 346 Abs. 1, 437 Nr. 2, 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Auf den Kaufpreisrückzahlungsanspruch muss sich die Klägerin jedoch die von ihr gezogenen Nutzungen gemäß § 346 Abs. 1 BGB anrechnen lassen.

Der Klägerin stand gegenüber der Beklagten zu 1 ein Rücktrittsrecht zu. Gemäß § 437 Nr. 2 BGB kann der Käufer einer mangelhaften Sache vom Vertrag zurücktreten. Das Fahrzeug war mangelhaft, weil es entgegen der vereinbarten Beschaffenheit kein Neufahrzeug war (§ 434 Abs. 1 BGB).

Nach der Rechtsprechung des BGH liegt im Verkauf eines Neuwagens durch einen Kfz-Händler grundsätzlich die Zusicherung, dass das verkaufte Fahrzeug die Eigenschaft „fabrikneu“ besitzt (BGH, Urt. v. 15.10.2003, Az. VIII ZR 227/02, NJW 2004, 160 mwN). Fabrikneu ist nach der Rechtsprechung des BGH ein ungenutztes Kraftfahrzeug, wenn und solange das Modell dieses Fahrzeugs unverändert weitergebaut wird und wenn es keine durch eine längere standzeitbedingte Mängel aufweist (BGH, aaO). Das gilt auch dann, wenn das Fahrzeug erst einige Zeit nach seiner Herstellung verkauft wird.

Weiter hat der BGH in dem zitierten Urteil vom 15.10.2003 (aaO) klargestellt, dass Standschäden nicht erforderlich sind. Vielmehr reicht es nach dieser Rechtsprechung aus, dass zwischen der Herstellung des Fahrzeugs und dem Abschluss des Kaufvertrags mehr als 12 Monate liegen. Hierzu führt der BGH aus:

„Zu Recht weist das Berufungsgericht darauf hin, dass die Meinung, welche dem Verkäufer eine unbegrenzte Lagerhaltung zubilligt, sofern keine Standschäden eingetreten sind oder das Modell sich verändert hat, schützenswerte Interessen des Käufers verletzt (…). Nach der Verkehrsanschauung ist die Lagerdauer für die Wertschätzung eines Kraftfahrzeugs von wesentlicher Bedeutung. Eine lange Standdauer ist für einen Neuwagenkäufer ein wertmindernder Faktor. Jedes Kraftfahrzeug unterliegt einem Alterungsprozess, der mit dem Verlassen des Herstellungsbetriebs einsetzt. Grundsätzlich verschlechtert sich der Zustand des Fahrzeugs durch Zeitablauf aufgrund von Materialermüdung, Oxidation und anderen physikalischen Veränderungen. Selbst eine Aufbewahrung unter optimalen Bedingungen vermag dies nur zu verlangsamen, aber nicht zu verhindern. Im Regelfall ist deshalb davon auszugehen, dass eine Lagerzeit von mehr als 12 Monaten die Fabrikneuheit eines Neuwagens beseitigt.“

Vorliegend verlor das Fahrzeug damit mit Ablauf des 12.08.20.. die Eigenschaft „fabrikneu“, weil es mit Ablauf dieses Tages mehr als 12 Monate „lagerte“. Die Klägerin erwarb das Fahrzeug am 14.08.20.. und damit entgegen der Bezeichnung in der Anzeige vom 11.08.20.. (Anl. K7) nicht mehr als „EU-Neufahrzeug“.

Zutreffend hat die Beklagte zu 1 darauf hingewiesen, dass sie nach dieser Rechtsprechung das Fahrzeug in der Anzeige vom 11.08.20.. (Anl. K7) noch als „EU-Neufahrzeug“ bezeichnen durfte. Nach § 434 Abs. 1 S. 3 BGB ist diese Bezeichnung dann aber als Beschaffenheit im Sinne von § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB Bestandteil des Vertrages mit der Klägerin geworden. Eine Berichtigung der Angabe im Sinne von § 434 Abs. 1 S. 3 BGB zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses hat die Beklagte zu 1 selbst nicht vorgetragen.

Weiter können nach der Rechtsprechung des BGH (aaO) Umstände vorliegen, die eine Abweichung vom Regelfall gebieten. Solche Umstände sind jedoch im vorliegenden Fall nicht ersichtlich. Daran ändert auch der Vortrag der Beklagten zu 1 im nachgelassenen Schriftsatz vom 06.02.2020 auf den Hinweis des Gerichts in der mündlichen Verhandlung vom 22.01.2020 nichts. Nicht ausreichend ist allein der Umstand, dass die 12-Monats-Frist hier nur um wenige Tage überschritten war. Vielmehr sprechen die konkreten Umstände gegen eine Verlängerung der 12-Monats-Frist.

Zunächst impliziert die Bezeichnung eines Fahrzeugs als „EU-Neufahrzeug“ nach Auffassung des Gerichts für die Verkehrsanschauung, dass es sich um ein Neufahrzeug handelt. Ein Neufahrzeug muss nach Auffassung des Gerichts die von der Rechtsprechung des BGH an die Fabrikneuheit gesetzten Anforderungen erfüllen. Der Zusatz „EU-“ zeigt nach Auffassung des Gerichts nur an, dass das Neufahrzeug (einmalig) im EU-Ausland zugelassen und entsprechend nach Deutschland überführt wurde.

Dem steht nicht entgegen, dass die Beklagte zu 1 das Fahrzeug in der Anzeige vom 11.08.20.. (Anl. K7) als „Lagerfahrzeug“ bezeichnete. Die Bezeichnung als „Lagerfahrzeug“ bedeutet nicht zwingend, dass das betreffende Fahrzeug länger als 12 Monate lagerte. Jedenfalls gibt es dafür keine Anhaltspunkte, gerade nicht in der Anzeige (Anl. K7). Ebenso gut kann die Eigenschaft „Lagerfahrzeug“ für einen durchschnittlichen Verbraucher/Endkunden auch bedeuten, dass dieses „auf Lager“ und damit sofort verfügbar ist.

Bei einem Neufahrzeug muss der Verbraucher/Endkunde grundsätzlich davon ausgehen, dass das Fahrzeug vom Herstellungswerk bis zum Kfz-Händler transportiert wurde. Bei einem EU-Neufahrzeug muss für den Verbraucher/Endkunden hinzukommen, dass das Fahrzeug vom Herstellungswerk bis zu einem Kfz-Händler im EU-Ausland und von diesem Kfz Händler im EU-Ausland zum Kfz-Händler in Deutschland transportiert wurde.

Weitere Transportwege oder die von der Beklagten zu 1 vorgetragene Vorschaltung “weiterer Zwischenhändler im riesigen Markt günstiger EU-Fahrzeuge“ müssen dem Endkunden/Verbraucher nicht bekannt sein. Insofern trägt die Beklagte zu 1 selbst vor, dass der Fahrzeughandel seine Einkaufsquellen nicht offenlege. Entsprechend kann und wird der Verbraucher/Endkunde hiervon in der Regel keine Kenntnis haben.

Gerade eine Zwischenschaltung von mehreren Händlern und damit ein mehrfacher Zwischentransport spricht aber gerade als Umstand gegen die Einordnung als „Neufahrzeug“ nach der angeführten Rechtsprechung des BGH. Nach dieser Rechtsprechung reicht es für die Bezeichnung als „Neufahrzeug“ gerade nicht aus, dass das Fahrzeug „unbenutzt“ ist. Wäre dies ausreichend, käme es auch weder auf etwaige Standschäden noch auf einen zwischenzeitig erfolgten Modellwechsel an.

Schließlich reicht es auch nicht aus, dass die die Beklagte zu 1 das Fahrzeug auf der Plattform „…“ als Gebrauchtfahrzeug inseriert haben will und die Klägerin dieses als Gebrauchtfahrzeug gefunden haben soll. Denn ein ausreichender Hinweis auf die Eigenschaft „Gebrauchtfahrzeug“ ergibt sich aus den von der Klägerin bereits mit der Klage vorgelegten Unterlagen nicht.

In dem Angebot auf der Plattform „…“ (Anl. K7) findet sich die Bezeichnung als „Gebrauchtwagen“ nicht. Vielmehr wird das Fahrzeug dort als „EU-Neufahrzeug mit Tageszulassung“ bezeichnet. In dem Kaufvertrag (Anl. K1) wird auf die „aktuellen und beigefügten AGB“ und nicht auf „Gebrauchtwagen-AGB“ Bezug genommen. Der Kaufvertrag selbst (Anl. K1) ist nicht als „Gebrauchtwagen-Kaufvertrag“ sondern als „Kaufvertrag/Bestellung“ bezeichnet. Das Wort „Gebrauchtwagen“ findet sich in der gesamten Anlage K1 nicht.

Als erheblicher Umstand tritt im Hinblick auf den Kaufvertrag (Anl. K1) hinzu, dass dort der „Garantiebeginn“ für die Herstellergarantie mit dem 12.06.20.. angegeben ist. Bei diesem Datum handelt es sich um ein Datum nur 2 Monate vor dem Kaufvertragsschluss. Dem durchschnittlichen Verbraucher/Endkunden muss nicht bewusst sein, dass die Herstellergarantie – abhängig von der Erstzulassung – so lange nach Herstellung des Fahrzeugs zu laufen beginnt. Auch aus diesem Grund musste die Klägerin vorliegend nicht damit rechnen, ein nicht mehr fabrikneues Fahrzeug zu erwerben.

Das gleiche gilt für die als Anlage K2 vorgelegte Rechnung. Auch hier findet sich nicht einmal das Wort „Gebrauchtwagen“ oder „gebraucht“. Das Wort „Gebrauchtwagen“ taucht tatsächlich erstmals im Übergabeprotokoll (Anl. K3) vom 17.08.20.. auf. Dieses datiert 3 Tage nach dem Kaufvertrag und 2 Tage nach der Rechnung und ist daher für den Vertragsinhalt nicht mehr maßgeblich. Zudem heißt es dort „Gebrauchtwagengarantie/Anschlussgarantie“. Eine Anschlussgarantie kommt aber gerade auch bei einem Neuwagen in Betracht.

Der Rücktritt nach § 437 Nr. 2 i.V.m. § 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB setzt weiter voraus, dass der Verkäufer die Leistungen ernsthaft und endgültig verweigert hat. Bei einem Sachmangel hat der Käufer zunächst einen vorrangigen Anspruch auf Nacherfüllung durch Beseitigung des Mangels oder Lieferung einer mangelfreien Sache nach §§ 437 Nr. 1, 439 Abs. 1 BGB.

Dennoch konnte die Klägerin hier wirksam vom Kaufvertrag mit der Beklagten zu 1 zurücktreten. Die Nacherfüllung durch Beseitigung des Mangels (§ 439 Abs. 1 1. Alt. BGB) kam nicht in Betracht, weil sich der fehlende Charakter des Fahrzeugs als „Neuwagen“ nicht durch Nachbesserung korrigieren lässt. Dahinstehen kann, ob die Ersatzlieferung als andere Art der Nacherfüllung im vorliegenden Fall ebenfalls unmöglich ist.

Denn jedenfalls mit Schreiben vom 19.12.20.. (Anl. K9) hat die Beklagte zu 1 jede Form der Mangelhaftigkeit des Fahrzeugs und damit auch etwaige Rechte der Klägerin aus einer Mangelhaftigkeit endgültig und ernsthaft zurückgewiesen. Jedenfalls ab diesem Zeitpunkt war die Klägerin damit zum Rücktritt vom Vertrag berechtigt.

Auf den Kaufpreisrückzahlungsanspruch muss sich die Klägerin einen Nutzungsersatz in Höhe von 5.745,21 € nach § 346 Abs. 1 BGB anrechnen lassen.

Die Nutzungsvorteile für die Klägerin hat das Gericht nach § 287 ZPO geschätzt und auf den Rückerstattungsanspruch der Klägerin hinsichtlich des Kaufpreises angerechnet. Zur Schätzung des Nutzungsersatzes hat das Gericht eine Gesamtlaufleistung von 350.000 km und einen Kilometerstand von 35.454 km am 22.01.2020 zugrunde gelegt. Nach den von der Klägerin mit Schriftsatz vom 12.02.2020 vorgelegten Onlineinseraten ist bei Fahrzeugen vom Modell des streitgegenständlichen Fahrzeugs von einer erhöhten Gesamtlaufleistung (von 350.000 km) auszugehen.

Danach errechnete sich ein Gebrauchsvorteil der Klägerin für die Nutzung des Fahrzeugs über 35.434 km in Höhe von 5.745,21 €. Bei der Rückabwicklung von Pkw-Kaufverträgen wird der Nutzungsvorteil anhand der Formel „Gebrauchsvorteil = Bruttokaufpreis x gefahrene Kilometer : zu erwartende Restlaufleistung“ berechnet. Die Klägerin hat das streitgegenständliche Fahrzeug mit einer Laufleistung von 20 km erworben. Am Tag der mündlichen Verhandlung am 22.01.2020 wies das Fahrzeug eine Laufleistung von mindestens 35.454 km auf. Hiervon geht das Gericht – trotz des Bestreitens der Beklagten – im Rahmen der Schätzung der Nutzungsvorteile aus.

Mit dem Fahrzeug ist die Klägerin mithin bis zur mündlichen Verhandlung am 22.01.2020 insgesamt 35.434 km gefahren. Der Kaufpreis belief sich auf 51.000,00 € und anhand der Gesamtlaufleistung von rund 350.000 km ist von einer Restlaufleistung von 314.546 km auszugehen. Der Nutzungsersatz in Höhe von 5.745,21 € ist vom Bruttokaufpreis abzuziehen, was die ausgeurteilte Summe von 45.254,79 € ergibt. In diesem Verhältnis war die Klage abzuweisen.

2.

Der Kaufpreisrückzahlungsanspruch ist ab dem 06.03.2019 zu verzinsen, § 291 S. 1 BGB. Der Kaufpreisrückzahlungsanspruch der Klägerin ist erst mit Rechtshängigkeit der Klage fällig geworden. Die Klägerin hat die Laufleistung des Fahrzeugs erst in Klageschrift (mit 7.000 km) mitgeteilt, so dass die Beklagte zu 1 erst ab diesem Zeitpunkt den von ihr geschuldeten Schadensersatz ermitteln konnte.

Die Klägerin hat hingegen keinen Anspruch auf Verzinsung der Geldschuld ab einem früheren Zeitpunkt aus §§ 286 Abs. 1, 288 BGB. Zahlungsverzug der Beklagten zu 1 ist vorgerichtlich auch nicht durch das Schreiben der Beklagten zu 1 vom 19.12.2018 (Anl. K9) eingetreten. Die Klägerin konnte die Rückzahlung des Kaufpreises nur nach Abzug einer Nutzungsentschädigung verlangen. Diese konnte die Beklagte zu 1 mangels Mitteilung der Laufleistung nicht ermitteln. Eine Mahnung setzt aber die bestimmbare Bezeichnung der geforderten Leistung voraus.

3.

Der Klageantrag zu Ziff. 2 ist insoweit begründet, als ein Annahmeverzug der Beklagten zu 1 seit Rechtshängigkeit bestand. Die Beklagte zu 1 befand sich mit der Rücknahme des streitgegenständlichen Fahrzeugs vor Zustellung der Klageschrift nicht in Verzug. Annahmeverzug besteht dann, wenn der Gläubiger eine ihm angebotene Leistung nicht annimmt. Hier fehlt es bereits an der Vorlage bzw. der Darlegung eines vorgerichtlichen Angebots der Klägerin gegenüber der Beklagten zur Rücknahme des streitgegenständlichen Fahrzeugs im Sinne von §§ 293 ff. BGB.

Annahmeverzug ist zudem nicht eingetreten, weil die Beklagte zu 1 mangels Bezifferung des Nutzungsausgleichs nicht erkennen konnte, von welcher Zahlung die Klägerin die Herausgabe abhängig machen konnte. Die Beklagte zu 1 konnte mangels Mitteilung der Laufleistung auch nicht selbst Zahlung in der tatsächlichen geschuldeten Höhe anbieten. Annahmeverzug hätte daher gemäß § 298 BGB vorausgesetzt, dass die Klägerin von der Beklagten die (tatsächlich) geschuldete Zahlung verlangt. Dies hätte eine der Höhe nach bestimmbare Forderung vorausgesetzt.

Mit Erhebung der Klage teilte die Klägerin die Laufleistung dann mit und forderte die Rückzahlung des Kaufpreises auch nur unter Anrechnung eines Vorteilsausgleichs für die Nutzung des Fahrzeugs. Der angerechnete Nutzungsvorteil war auch nur geringfügig zu niedrig. Eine solche, nur geringfügige Zuvielforderung hinderte den Eintritt des Annahmeverzuges nicht mehr (vgl. BGH, Urt. v. 20.07.2005, Az.: VIII ZR 275/04, NJW 2005, 2848 (2851).

4.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erstattung von Rechtsanwaltskosten gegen die Beklagte zu 1. Ein solcher Anspruch könnte sich vorliegend allein unter dem Gesichtspunkt des Verzugsschadens nach §§ 286, 280 BGB ergeben. Die Beklagte zu 1 befand sich jedoch zum Zeitpunkt der Beauftragung der Prozessbevollmächtigten der Klägerin nicht in Verzug. Jedenfalls ist ein solcher Verzug nicht ausreichend dargelegt. Die Klägerin hat in der Klageschrift ausgeführt, mit Schreiben vom 06.12.2018 den Rücktritt vom Kaufvertrag sowie die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung erklärt zu haben. Zwar hat die Klägerin mit der Anlage K8 offenkundig nicht das Schreiben mit der Rücktritts-/Anfechtungserklärung gegenüber der Beklagten zu 1 vorgelegt. Auch aus dem vorgelegten Schreiben vom 06.12.2018 (Anl. K8) geht aber hervor, dass zu diesem Zeitpunkt der Prozessbevollmächtigte der Klägerin bereits beauftragt war. Eine Korrespondenz mit der Beklagten zu 1 vor dem 06.12.2018 hat die Klägerin nicht dargelegt.

II.

Ein Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte zu 2 auf Rückabwicklung des Kaufvertrags über das Fahrzeug ist hingegen nicht ersichtlich. Gewährleistungsansprüche aus §§ 433 ff. BGB stehen der Klägerin gegenüber der Beklagten zu 2 offenkundig nicht zu. Die Beklagte zu 2 ist nicht Verkäuferin des Fahrzeugs. Eine unerlaubte Handlung der Beklagten zu 2 im Hinblick auf das Software-Update …, die Existenz eines „Thermofensters“, einer „Aufwärmstrategie“ und einer reduzierten Ad-Blue Einspritzung ist nicht ersichtlich. Jedenfalls fehlt es an substantiiertem Vortrag zu einem etwaigen Vorsatz der Beklagten.

Unstreitig ist das Fahrzeug nicht mit dem Motor EA 189 und der darin vorhandenen „Umschaltlogik“ oder „Motorsteuergerätesoftware“ ausgestattet. Die hierzu ergangene Rechtsprechung ist auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. Hinsichtlich des unstreitig erfolgten Software-Updates … fehlt es bereits an einem ausreichend substantiierten Vortrag der Klägerin zu einer unerlaubten Handlung. Die Beklagte zu 2 hat in der Klageerwiderung vom 16.12.2019 vorgetragen, dass das Software-Update … aufgrund einer sog. Konformitätsabweichung durchgeführt wurde. Insoweit habe die Beklagte zu 2 diese Konformitätsabweichung von sich aus dem KBA gemeldet und das durchzuführende Software-Update mit dem KBA abgestimmt.

Diesem Vortrag der Beklagten zu 2 ist die Klägerin nicht erheblich entgegengetreten. Bei einer dem KBA bekannten und mit diesem abgestimmten Maßnahme fehlt es aber an jeglicher Indizwirkung für ein vorsätzliches Verhalten der Beklagten zu 2. Ersichtlich „ins Blaue hinein“ erfolgt zudem der Vortrag, das Software-Update … habe die Konformitätsabweichung nicht behoben. Selbst wenn dieses Software-Update die Konformitätsabweichung nicht behoben hätte, fehlte es an einer ausreichenden Darlegung der erforderlichen Vorsatzmerkmale beim Vorstand bzw. den Mitarbeitern der Beklagten zu 2. Insofern kann sich die Klägerin gerade nicht auf die Rechtsprechung im Zusammenhang mit den EA 189 Motoren berufen. Der grundlegende Unterschied besteht schon darin, dass das hier streitgegenständliche Software-Update mit dem KBA abgestimmt wurde.

Der Vortrag der Klägerin zu einem Verstoß gegen § 27 Abs. 1 EG-FGV ist gänzlich unsubstantiiert. Die Klägerin hat bereits nicht dargelegt, dass das Fahrzeug nicht mit einer gültigen Übereinstimmungsbescheinigung versehen war. Aus den Regelungen der EG-FGV – insbesondere §§ 6, 25 Abs. 3 Nr. 1 EG-F GV – folgt, dass eine gültige Übereinstimmungsbescheinigung vorliegt, wenn das Fahrzeug, für das sie ausgestellt ist, tatsächlich dem genehmigten Typ entspricht. Eine tatsächliche Abweichung des von ihm erworbenen Fahrzeugs von dem genehmigten Typ legt die Klägerin nicht substantiiert dar.

Hinsichtlich des angeblich durch das Software-Update erhöhten Kraftstoffverbrauchs ist bereits nicht dargelegt, dass es sich um eine Angabe der Beklagten zu 2 handelt. Die Klägerin entnimmt die Angabe zum Kraftstoffverbrauch offenkundig dem Angebot auf der Internetplattform „…“ (Anl. K7), das von der Beklagten zu 1 stammt. Die „Übereignungsbescheinigung“ ist nicht vorgelegt. Selbst wenn die Beklagte zu 1 ihre Angaben von der Beklagten zu 2 bezogen hätte, reicht dies nicht für die Darlegung einer vorsätzlichen Handlung der Beklagten zu 2. Die Kraftstoffangaben sind mit einem „*“ versehen. Dazu heißt es auf der letzten Seite des Angebots (Anl. K7), „*Weitere Informationen zum offiziellen Kraftstoffverbrauch […] können dem ‚Leitfaden über den offiziellen Kraftstoffverbrauch, die offiziellen spezifischen CO2 Emissionen und den offiziellen Stromverbrauch neuer PKW‘ entnommen werden, […]“.

Die genauen Angaben in diesem Leitfaden hat die Klägerin nicht dargelegt. Insofern ist schon nicht ersichtlich, worin die genaue Täuschung oder vorsätzliche sittenwidrige Schädigung der Klägerin durch diese Angaben gelegen haben sollte.

Einen Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen die Beklagte zu 2 aufgrund der Ausstattung des Fahrzeugs mit dem sog. Thermofenster, der Aufwärmstrategie und dem „erhöhten“ AdBlue-Verbrauch ist ebenfalls nicht hinreichend dargetan. Ebenfalls kämen Ansprüche der Klägerin gegen die Beklagte zu 2 grundsätzlich „nur“ aus §§ 823 ff., 826 BGB in Betracht. Zu den objektiven und subjektiven Voraussetzungen dieser Anspruchsgrundlagen hat die Klägerin aber nicht mit ausreichender Substanz vorgetragen.

Anders als in den Fällen des EA 189 Motors des … ist höchst streitig, ob es sich etwa bei dem sog. Thermofenster um eine unzulässige technische Einrichtung an dem Fahrzeug handelt. Dagegen spricht nach Auffassung des Gerichts in tatsächlicher Hinsicht bereits, dass das Fahrzeug nach keinem behördlichen Rückruf unterliegt. Jedenfalls ist aufgrund dieses Umstands die Unzulässigkeit von Thermofenster, Aufwärmstrategie und dem „erhöhtem“ AdBlue-Verbrauch im Sinne von Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 vorliegend nicht „offenkundig“.

Im Übrigen ist auch der Vortrag der Klägerin zu den subjektiven Voraussetzungen der deliktischen Anspruchsgrundlagen nicht ausreichend. Das Gericht erachtet die Rechtsauffassung des Oberlandesgerichts Köln (Beschl. v. 04.07.2019, Az. 3 U 148/18, BeckRS 2019, 15640) auf den hier vorliegenden Sachverhalt für übertragbar. Die Behauptung von Thermofenster, Aufwärmstrategie und „erhöhtem“ AdBlue-Verbrauch ist für sich allein genommen nicht geeignet, den Tatbestand der vorliegend allein in Betracht kommenden deliktischen Anspruchsgrundlagen zu bejahen.

Dies gilt selbst dann, wenn es sich um objektiv unzulässige Abschalteinrichtungen handelte – was zwischen den Parteien streitig ist. Denn das bloße Vorhandensein einer objektiv unzulässigen Abschalteinrichtung im streitgegenständlichen Fahrzeug ist allein nicht geeignet, Ansprüche der Klägerin aus §§ 826, 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 263 StGB zur Entstehung zu bringen. Vielmehr ist auch zu den subjektiven Voraussetzungen dieser Anspruchsgrundlagen mit Substanz vorzutragen.

Diese Anspruchsgrundlagen setzen in subjektiver Hinsicht einen Vorsatz des in Anspruch genommenen Schädigers voraus. Hier fehlt es an jeglichem Vortrag dazu, welche Organmitglieder der Beklagten zu welchem Zeitpunkt über welche Kenntnisse verfügten und inwiefern diese Kenntnis oder andere Umstände, ggf. welche, den Rückschluss auf einen Schädigungsvorsatz zulassen. Der Schädigungsvorsatz der Beklagten zu 2 ergibt sich auch nicht ohne weiteres aus dem wissentlichen Inverkehrbringen von Fahrzeugen mit der vorbezeichneten Einrichtung.

Ein Schädigungsvorsatz im Sinne der §§ 826, 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 263 StGB kann vielmehr nur dann angenommen werden, wenn über die bloße Kenntnis von dem Einbau einer Einrichtung mit der in Rede stehenden Funktionsweise in den streitgegenständlichen Motor hinaus zugleich auch Anhaltspunkte dafür erkennbar wären, dass dies von Seiten der Beklagten zu 2 in dem Bewusstsein geschah, hiermit möglicherweise gegen die gesetzlichen Vorschriften zu verstoßen, und dieser Gesetzesverstoß billigend in Kauf genommen wurde (OLG Köln, a.a.O., Rn. 5).

Insoweit kann ist der vorliegende Fall auch nicht mit der Sachlage in den sog. „…“ des Motors EA 189 vergleichbar. In diesen Fällen liegt nach Auffassung des Gerichts ein solches Bewusstsein der Organe der … aufgrund der spezifischen Funktionsweise der eingebauten Software – namentlich der Aktivierung eines anderen, im Straßenverkehr bei gleichen Bedingungen nicht zum Einsatz kommenden, sondern ausschließlich für die Prüfsituation entwickelten und nur für diese bestimmten Programmes zur Regulierung des Emissionsverhaltens des Fahrzeuges zum Zwecke der gezielten Beeinflussung des Prüfergebnisses – nahe.

Anders ist dies jedoch bei Emissionsregelungseinrichtungen wie dem sog. Thermofenster, der Aufwärmstrategie und der AdBlue-Einspritzung die vom Grundsatz her im normalen Fahrbetrieb in gleicher Weise arbeiten wie auf dem Prüfstand, und bei denen Gesichtspunkte des Motor- und Bauteilschutzes als Rechtfertigung ernsthaft angeführt werden können. In derartigen Fällen kann bei Fehlen jedweder konkreter Anhaltspunkte nicht ohne weiteres unterstellt werden, dass die Organe der Beklagten zu 2 in vollem Umfang nachvollzogen und von diesen in dem Bewusstsein gehandelt wurde, möglicherweise eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden.

Vielmehr muss in dieser Situation – selbst wenn man von einer objektiv unzulässigen Abschalteinrichtung ausginge – eine möglicherweise falsche, aber dennoch vertretbare und im Übrigen auch vom KBA und dem BMVI geteilte Gesetzesauslegung und -anwendung durch die Organe der Beklagten in Betracht gezogen werden. Diese ist nach Auffassung des Gerichts durch die Klägerin auch nicht widerlegt worden. Eine Verkennung der Rechtslage begründet selbst im Falle eines fahrlässigen oder gar grob fahrlässigen Handelns nicht den im Rahmen der §§ 826, 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 263 StGB geforderten Schädigungsvorsatz.

Der Schädigungsvorsatz erfordert vielmehr das Bewusstsein eines möglichen Gesetzesverstoßes verbunden mit einer zumindest billigenden Inkaufnahme desselben, wofür der gesamte Klägervortrag weder Indizien noch belastbare Anhaltspunkte aufzeigt. Vielmehr ist die Gesetzeslage an dieser Stelle nicht unzweifelhaft und eindeutig. Dies zeigt neben der auch von den hiesigen Parteien kontrovers geführten Diskussion über Inhalt und Reichweite der Ausnahmevorschrift des der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 nach Auffassung des Gerichts auch der Umstand, dass sich das KBA bislang nicht von der Unzulässigkeit der behaupteten Abschalteinrichtungen im streitgegenständlichen Fahrzeug überzeugen konnte und einen Rückruf sämtlicher betroffener Fahrzeuge behördlich bis heute nicht angeordnet worden ist.

Vor diesem Hintergrund scheitern sämtliche in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen jedenfalls daran, dass der subjektive Tatbestand von dem Kläger nicht schlüssig dargetan worden ist. Ohne konkrete Anhaltspunkte für ein Bewusstsein und eine billigende Inkaufnahme des unterstellten Gesetzesverstoßes kann auch nicht angenommen werden, dass die besondere Verwerflichkeit des Verhaltens der Beklagten aus dem Willen zur Kostensenkung resultiert. Nicht jedes Streben nach Kostensenkung und Gewinnmaximierung stellt sich per se als verwerflich dar, sondern nur ein solches „um jeden Preis“ auch unter in Kauf genommenem Verstoß gegen gesetzliche Vorschriften (OLG Köln, a.a.O., Rn. 5).

Aufgrund des Fehlens jeglicher konkreter Anhaltspunkte für ein vorsätzliches Verhalten war die Beklagte zu 2 im Rahmen der sie treffenden sekundären Darlegungslast auch nicht gehalten ist, zur Kenntnis und zum Wissensstand ihrer Organe vom Einsatz einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Einzelnen vorzutragen. Vielmehr bleibt es dabei, dass für die Anwendung der Grundsätze der sekundären Darlegungslast in der gegebenen Situation bei in Gänze unzureichendem Klägervortrag kein Raum ist.

Mangels Hauptanspruchs bestehen auch etwaige Nebenforderungen der Klägerin gegen die Beklagte zu 2 nicht.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1 S.1, 92 Abs. 1, 100 Abs. 1, Abs. 4 ZPO iVm den Grundsätzen der Baumbach’schen Formel. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §709 S. 1, S. 2 und S. 3 ZPO.

IV.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 48 Abs. 1 S. 1, 63 Abs. 2 GKG, 3 ZPO.

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