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Gebrauchtwagenkauf – Angabe HU Neu – Beseitigung von „TÜV-Mängeln“

AG Spandau – Az.: 6 C 102/20 – Urteil vom 06.07.2020

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 200,- sowie weitere € 83,54 jeweils nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 18. Juli 2019 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 9/10 und der Beklagte 1/10 zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar; die Parteien dürfen die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Gegenseite zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Beklagte betreibt einen Gebrauchtwagenhandel. Auf einer Internetplattform bot er einen Van/Minibus des Typs Renault Kangoo (Erstzulassung 05/2011) zum Verkauf an; unter den „weiteren technischen Daten“ war die Angabe „HU Neu“ enthalten. Der Kläger erwarb von ihm dieses Fahrzeug aufgrund schriftlichen Kaufvertrages vom 5. Januar 2019 zum Preis von € 3.000,-. Am 12. Januar 2019 scheiterte die für diesen Tag vereinbarte Übergabe des Fahrzeugs, weil der Kläger sich weigerte, von dem Beklagten zusätzlich geforderte € 200,- für die angebliche Beseitigung von „TÜV-Mängeln“ zu zahlen. Da der Beklagte weiterhin die Übergabe von diesem Betrag abhängig machte, zahlte der Kläger am 15. Januar 2019, um in den Besitz des Wagens zu kommen. Laut dem Untersuchungsbericht des TÜV Rheinland vom 10. Januar 2019 hatte die Prüfung vom selben Tage keine Mängel ergeben. Der Kläger ließ am 29. Januar 2019 den Renault gegen eine Gebühr von € 65,50 vom Prüfdienst der DEKRA untersuchen. Laut deren Protokoll sollen mehrere reparaturbedürftige Mängel vorhanden sein. Deren Beseitigung soll nach von dem Kläger eingeholten Voranschlägen Kosten in Höhe von insgesamt € 1.733,88 inklusive Mehrwertsteuer erfordern. Mit Anwaltsschreiben vom 27. Mai 2019 ließ der Kläger den Beklagten zur Erstattung der Kosten des DEKRA-Gutachtens, Rückzahlung der € 200,- sowie Schadensersatz in Höhe von € 632,57 auffordern.

Der Kläger behauptet, er habe den Beklagten mit Schreiben vom 29. Januar 2019, 18. Februar 2019 und 11. März 2019 vergeblich zur Nacherfüllung aufgefordert; der Renault Kangoo habe die von der DEKRA festgestellten Mängel; darüber hinaus sei das Fahrgastraumgebläse defekt, was weitere Reparaturkosten von € 696,27 notwendig mache.

Gebrauchtwagenkauf - Angabe HU Neu - Beseitigung von "TÜV-Mängeln"
(Symbolfoto: Von Bartolomiej Pietrzyk/Shutterstock.com)

Mit der Klage nimmt er den Beklagten auf Zahlung der genannten Beträge sowie einer Kostenaufwandspauschale von € 100,- und vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von € 201,71 in Anspruch.

Er beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an ihn € 2.430,15 und € 365,50 sowie weitere € 201,71 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz jeweils seit dem 18.07.2019 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Er behauptet, der Kläger habe die Erstellung eines „neuen TÜV“ gewünscht; dadurch seine Kosten in Höhe von € 200,- entstanden.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Dem Kläger steht eine Hauptforderung nur in Höhe von € 200,- zu. Diesen Betrag hat der Beklagte gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB zurückzuzahlen, da der Kläger ihm diese Summe ohne Rechtsgrund geleistet hat. Es kann dahinstehen, ob der Beklagte diesen Betrag – wie er behauptet – aufgewendet hat, um für den Renault einen „neuen TÜV“ zu erhalten. Er hatte jedenfalls keinen Anspruch darauf, etwaige Aufwendungen von dem Kläger erstattet zu bekommen. Denn er war seinerseits aufgrund des Kaufvertrages vom 5. Januar 2019 verpflichtet, dem Kläger das Eigentum an dem Renault Kangoo zu dem vereinbarten Preis mit „HU Neu“ zu verschaffen. Dies ergibt sich zwar nicht unmittelbar aus der Vertragsurkunde. Nach § 434 Abs. 1 Satz 3 BGB gehören zur Beschaffenheit der Kaufsache auch die Eigenschaften, die der Käufer nach den öffentlichen Äußerungen u.a. des Verkäufers insbesondere in der Werbung oder bei der Kennzeichnung über bestimmte Eigenschaften der Sache erwarten kann, es sei denn, dass diese Äußerungen im Zeitpunkt des Vertragsschlusses in gleichwertiger Weise berichtigt war. Eine solche Äußerung ist die Angabe des Beklagten im Rahmen der Bewerbung des Wagens im Internet, dass das Fahrzeug „HU Neu“ habe. Es lässt sich nicht feststellen, dass der Beklagte diese Äußerung vor dem Vertragsschluss berichtigt hat. Seine Behauptung, der Kläger habe eine „neuen TÜV“ gewünscht, mag implizieren, dass der Kläger Kenntnis davon hatte, dass eine zeitnahe Hauptuntersuchung noch nicht stattgefunden hatte. Für seine Behauptung über die diesbezügliche Abrede hat der Beklagte indessen keinen Beweis angetreten; dies geht zu seinen Lasten.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe etwa erforderlicher Reparaturkosten. Sein rechtlicher Ausgangspunkt, dass sich ein solcher Anspruch nur aus den §§ 437 Nr. 3, 280, 281 BGB ergeben kann, ist zwar zutreffend. Dessen Voraussetzung liegen indessen nicht vor. Für den behaupteten Mangel an dem Gebläse liegt dies auf der Hand, da der Kläger diesen Punkt nicht einmal in seinen Schreiben erwähnt hat. Es bedarf aber auch im Übrigen keiner Klärung, ob der Renault Kangoo die behaupteten Mängel hat und ob dem Beklagten die Schreiben des Klägers zugegangen sind. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs setzt ein taugliches Nacherfüllungsverlangen nämlich die Zurverfügungstellung der Kaufsache am rechten Ort, nämlich dem Erfüllungsort der Nacherfüllung, also der gewerblichen Niederlassung bzw. Werkstatt des Verkäufers, voraus (Urteil vom 19. Juli 2017 – VIII ZR 278/16); nur dann muss sich der Verkäufer auf ein Nacherfüllungsverlangen einlassen (Urteil vom 21. November 2019 – VIII ZR 69/18 [Rdnr. 37]). Dem Kläger war eine Nacherfüllung auch nicht im Hinblick auf den von ihm geschilderten Ablauf des gescheiterten Übergabeversuchs am 12. Januar 2019 unzumutbar (§ 440 Satz 1 Alt. 3 BGB). Wie seine Schreiben, die er an den Beklagten gesendet haben will, belegen, hat er sich trotz der aufgetretenen Spannungen nicht daran gehindert gesehen, von dem Beklagten Gewährleistung zu fordern.

Auch die Kosten der DEKRA-Untersuchung hat der Beklagte unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu ersetzen. Auf die von dem Kläger bemühte Anspruchsgrundlage (§ 280 Abs. 1, 437 Nr. 3 BGB) lässt sich die Förderung nicht stützen, da der Beklagte eine Pflichtverletzung, die in der Lieferung eines mangelhaften Kfz bestehen könnte, jedenfalls nicht zu vertreten hat (§ 280 Abs. 1 Satz 2 BGB). Einen Gebrauchtwagenhändler trifft keine generelle Obliegenheit, ein Fahrzeug vor dem Verkauf umfassend zu untersuchen; zu einer Überprüfung kann er nur aufgrund besonderer Umstände, die einen konkreten Verdacht auf Mängel begründen, gehalten sein (Bundesgerichtshof, Urteil vom 15. April 2015 – VIII ZR 80/14); solche außergewöhnlichen Umstände lassen die behaupteten Mängel des Fahrzeugs nicht erkennen.

Ein Ersatzanspruch ergibt sich auch nicht aus § 439 Abs. 2 BGB. Allerdings kann diese Vorschrift, wonach der Verkäufer die zum Zwecke der Nacherfüllung erforderlichen Aufwendungen zu tragen hat, eine Anspruchsgrundlage für Aufwendungen des Käufers u.a. auch für ein Sachverständigengutachten darstellen (Bundesgerichtshof, Urteil vom 30. April 2014 – VIII ZR 275/13). Voraussetzungen für einen Ersatzanspruch ist aber, dass die Sachverständigenkosten zumindest auch zum Zwecke der Nacherfüllung aufgewandt wurden und aus damaliger Sicht zur Klärung der Ursache des Mangels und seiner Zurechnung erforderlich waren (BGH a.a.O. [unter II.3. Rdnr. 18]). So liegen die Dinge hier nicht. Denn der Kläger hat die DEKRA-Untersuchung nicht zum Zwecke der Klärung der Ursachen von Mängeln veranlasst; Ziel der Untersuchung war vielmehr festzustellen, ob der Beklagte ihm das Fahrzeug tatsächlich mangelfrei übergeben hatte.

Schließlich steht dem Kläger auch keine Schadensaufwandspauschale zu. Da der Beklagte dem Kläger nach dem Vorstehenden keinen Schadensersatz schuldet, sind die Aufwendungen für Post und Telekommunikation und Telefon einschließlich Zeitaufwand, die der Kläger mit € 100,- pauschaliert, soweit sie sich auf die behaupteten Mängel des Renault beziehen, nicht zu ersetzen. Es kann mithin offenbleiben, ob der Kläger insoweit hinreichende Anknüpfungstatsachen zur Ermöglichung einer Schätzung vorgetragen hat (vgl. insoweit Bundesgerichtshof, Urteil vom 8. Mai 2012 – VI ZR 37/11); eigener Zeitaufwand wäre ohnehin nicht ersatzfähig (BGH a.a.O. [unter II.3.b. Rdnr. 10]).

Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten hat der Beklagte dem Kläger gemäß § 280 Abs. 1 BGB in einer nach einem Geschäftswert von € 200,- berechneten Höhe von € 83,54 zu ersetzen. Der Beklagte hat von dem Kläger vertragswidrig Zahlung weiterer € 200,- gefordert. Aufgrund dieser Pflichtwidrigkeit war der Kläger berechtigt, einen Rechtsanwalt mit der Durchsetzung seines Rückzahlungsanspruches zu mandatieren.

Eine weiter gehende Ersatzfähigkeit der Rechtsanwaltskosten folgt auch nicht aus § 439 Abs. 2 BGB. Zwar können auch Rechtsanwaltskosten Aufwendungen im Sinne von § 439 Abs. 2 BGB darstellen (Bundesgerichtshof, Urteil vom 24. Oktober 2018 – VIII ZR 66/17). Voraussetzung eines Zahlungsanspruches ist aber, dass der Kläger die Anwaltskosten aufgewandt hat, als sich der Vollzug des Kaufvertrages im Stadium der Nacherfüllung befand, mit der Zielrichtung, die Durchsetzung des Nacherfüllungsanspruches zu ermöglichen BGH a.a.O. [unter B.II.2.b.bb.<2><a> Rdnr. 91]). So war es hier nicht. Das Vertragsverhältnis der Parteien befand sich nicht im Stadium der Nacherfüllung; auch Anwaltsschreiben vom 23. Mai 2019 hatte nicht die Nacherfüllung, sondern Zahlungsforderungen zum Gegenstand.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO. Bei der Kostenentscheidung ist auch das teilweise Obsiegen des Klägers in Bezug auf die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu berücksichtigen, auch wenn diese Position eine Nebenforderung im Sinne von § 4 ZPO darstellt. Für die Kostenentscheidung ist allein maßgeblich, in welchem Umfang der Kläger mit der geltend gemachten Forderung – gleich ob Haupt- oder Nebenforderung – durchdringt (vgl. BGH NJW 1988, 2173 ff. – II 1 -; weitere Nachweise aus der Rechtsprechung bei Korch, NJW 2015, 2212, 2215 FN 29; vgl. ferner Herget in: Zöller, ZPO, 32. Aufl., § 92 Rdnr. 3; Olivet, Die Kostenverteilung im Zivilurteil, 4. Aufl., Rdnr. 236).

Die Vollstreckbarkeitsentscheidung ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

 

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